In dem bewegendem Familien-Epos "Die Frau, die singt" entdecken zwei Geschwister die leidvolle Geschichte ihrer Mutter.
Jeanne Marwan ahnt wenig von der Vergangenheit ihrer Mutter. Im saturierten Québec der Gegenwart unterrichtet die Hochbegabte Mathematik, reine Mathematik sogar, theoretische Mathematik an der Universität. Als die Mutter, die so oft schweigsam, verstört und abwesend wirkte, stirbt, hinterlässt sie den Zwillingen Jeanne und Simon ein rätselhaftes Testament.
Eröffnet wird es den beiden jungen Leuten von Notar Jean Lebel, für den die Mutter 18 Jahre lang das Sekretariat besorgte. Lebel, ein Freund der Familie, verliest das Dokument beklommen, fast entschuldigend. Darin trägt die Verstorbene, Narwal Marwan, den Kindern auf, zwei Menschen zu suchen: den Vater, den sie für tot hielten und dessen Identität sie nicht kennen, und einen Bruder, von dessen Existenz sie nichts wussten. Ihnen sollen die Zwillinge Briefe der Mutter übermitteln, sobald sie sie gefunden haben. Erst wenn sie diese Wünsche erfüllt haben, dürfen sie ihrer Mutter einen Grabstein setzen.
Dieser fast märchenhafte Auftrag ist der Auftakt zu einer Odyssee der beiden Hinterbliebenen – auf den Spuren einer grauenvollen Odyssee. Es ist auch der Auftakt zu einem monumentalen Filmepos, das trotz traumatischer Ereignisse in den Rückblenden zum Leben der Narwal Marwan ganz still bleibt, unaufgeregt, sogar diskret.
Der Drehbuchautor Wajdi Mouawad hat erklärt, es sei nicht wichtig, wo die Szenen spielen – man denkt im Film an Algerien, dann eher an den Libanon – und dass es ihm keineswegs um den Appell gehe, "seine Wurzeln zu finden". Zeigen und mitempfindbar machen will er, welche Auswirkungen aus Hass und Vergeltung geführte Kriege auf ganze Generationen und Großgruppen haben können. Ob Christen oder Muslime Opfer sind oder Täter, das steht hier nirgends im Vordergrund. Jede Relevanz von Zugehörigkeiten erlischt angesichts der Grausamkeit eines Geschehens, das das Gewebe der Gesellschaft auflöst.
Die Frau, die singt hätte mühelos als Thriller oder als Kriminalfilm mit Kriegskulisse gedreht werden können. Wie Villeneuve dies alles vermeidet und dass er einen die Länge des Films völlig vergessen lässt, während man den Szenen folgt, ist verblüffend. Am Ende haben zwei junge Leute in der Geschichte ihrer zähen Flüchtlingsmutter und deren Überleben ein Ausmaß an Leid entdeckt, von dem sie nichts geahnt hatten, oder, das legen Äußerungen des Sohnes nahe, das sie nicht einmal ahnen wollten. Aber sie haben Klarheit. Und ohne Klarheit, so hatte der alte, jüdische Mathematikprofessor zu Jeanne am Anfang gesagt, wirst du nie Ruhe finden.
Auszug Kritik Tagesspiegel.
Eröffnet wird es den beiden jungen Leuten von Notar Jean Lebel, für den die Mutter 18 Jahre lang das Sekretariat besorgte. Lebel, ein Freund der Familie, verliest das Dokument beklommen, fast entschuldigend. Darin trägt die Verstorbene, Narwal Marwan, den Kindern auf, zwei Menschen zu suchen: den Vater, den sie für tot hielten und dessen Identität sie nicht kennen, und einen Bruder, von dessen Existenz sie nichts wussten. Ihnen sollen die Zwillinge Briefe der Mutter übermitteln, sobald sie sie gefunden haben. Erst wenn sie diese Wünsche erfüllt haben, dürfen sie ihrer Mutter einen Grabstein setzen.
Dieser fast märchenhafte Auftrag ist der Auftakt zu einer Odyssee der beiden Hinterbliebenen – auf den Spuren einer grauenvollen Odyssee. Es ist auch der Auftakt zu einem monumentalen Filmepos, das trotz traumatischer Ereignisse in den Rückblenden zum Leben der Narwal Marwan ganz still bleibt, unaufgeregt, sogar diskret.
Der Drehbuchautor Wajdi Mouawad hat erklärt, es sei nicht wichtig, wo die Szenen spielen – man denkt im Film an Algerien, dann eher an den Libanon – und dass es ihm keineswegs um den Appell gehe, "seine Wurzeln zu finden". Zeigen und mitempfindbar machen will er, welche Auswirkungen aus Hass und Vergeltung geführte Kriege auf ganze Generationen und Großgruppen haben können. Ob Christen oder Muslime Opfer sind oder Täter, das steht hier nirgends im Vordergrund. Jede Relevanz von Zugehörigkeiten erlischt angesichts der Grausamkeit eines Geschehens, das das Gewebe der Gesellschaft auflöst.
Die Frau, die singt hätte mühelos als Thriller oder als Kriminalfilm mit Kriegskulisse gedreht werden können. Wie Villeneuve dies alles vermeidet und dass er einen die Länge des Films völlig vergessen lässt, während man den Szenen folgt, ist verblüffend. Am Ende haben zwei junge Leute in der Geschichte ihrer zähen Flüchtlingsmutter und deren Überleben ein Ausmaß an Leid entdeckt, von dem sie nichts geahnt hatten, oder, das legen Äußerungen des Sohnes nahe, das sie nicht einmal ahnen wollten. Aber sie haben Klarheit. Und ohne Klarheit, so hatte der alte, jüdische Mathematikprofessor zu Jeanne am Anfang gesagt, wirst du nie Ruhe finden.
Auszug Kritik Tagesspiegel.
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