Es gibt viel Leid auf dieser Welt. Und es ist gut und sinnvoll, es mit einer Spende lindern zu wollen. So sammeln ganz unterschiedliche Hilfsorganisationen allein in Frankreich und Deutschland jährlich rund 6,5 Milliarden Euro an Spenden ein. Aber wie viel von diesem Geld kommt tatsächlich bei den Bedürftigen an? Und wer verdient noch an der Spendenbereitschaft der Menschen? Filmemacher Joachim Walther geht diesen Fragen nach und hat "Im Dickicht der Spendenindustrie" recherchiert.
Rund 6,5 Milliarden Euro spenden Deutsche und Franzosen pro Jahr für einen guten Zweck. Eine ganze Industrie, die emotionale Spendenaufrufe verschickt, Hilfsorganisationen, Spendenwerber, Adresshändler - sie alle wollen ihr Stück von diesem riesigen Spendenkuchen. Stefan Loipfinger, Autor des Buches "Die Spendenmafia" und scharfer Kritiker der Branche, beobachtet gemeinnützige Organisationen und kommt zu dem Schluss: "Die breite Öffentlichkeit weiß nicht, dass ein Großteil des Geldes im Endeffekt häufig für den professionellen Werber verwendet wird."
Und diese Masche hat nicht selten System. 2009 erschütterte ein Spendenskandal Frankreich. Gleich mehrere Hilfsorganisationen wurden als Briefkastenfirmen enttarnt. Bis heute ermittelt die Justiz. Filmemacher Joachim Walther begleitet den Journalisten Etienne Gingembre bei seinen Recherchen vor Ort zu den Hilfsorganisationen. Sein Fazit: Immer mehr Gelder bleiben im System der Spendenindustrie hängen und immer weniger landen bei den wirklich Bedürftigen.
Doch wohin fließen die Hilfsgelder? Wer verdient daran? Warum legen nur wenige Organisationen ihre Bilanzen offen? Und warum gibt es kaum Kontrollen? Die Schriftstellerin und Professorin Sylvie Brunel war eineinhalb Jahre Präsidentin einer großen französischen Hilfsorganisation. Sie sagt: "In der Welt der humanitären Organisationen herrscht das Gesetz der Omertà. Man darf nicht darüber sprechen, man darf nichts sagen, denn wenn man über eine Organisation negativ spricht, spricht man gleich über alle anderen auch negativ."
Die Dokumentation folgt konsequent dem Fluss des Geldes von der Spende bis zum Empfänger. Dabei hinterfragt Filmemacher Joachim Walther die Strukturen einer Branche und versucht zu klären, wie viel Geld tatsächlich bei den Bedürftigen ankommt.
In großem Stil werden jedes Jahr Spender mit ausgeklügelten Kampagnen und teuren Bettelbriefen überflutet. Große Kinderaugen blicken aus Hochglanzbroschüren, in Lumpen gekleidete Menschen in Krisenregionen und erbärmlich aussehende Tiere buhlen um Hilfsbereitschaft. Mit professionellen Fotos und zusätzlich mit geschickten Psychotricks wird Mitleid erzeugt. Hinter den Kulissen gibt es weniger Hochglanz, dafür eine zunehmende Selbstbedienungsmentalität. Hilfsorganisationen sprechen zwar gern und bereitwillig über ihr erfolgreiches und nachhaltiges Wirken, schotten sich aber schnell ab, wenn man Arbeitsweise, Geldflüsse und Bilanzen hinterfragt. Die Spendenindustrie bildet ein dunkles Reich, denn sie unterliegt keinen Regeln. Es wird dubiosen Organisationen leichtgemacht, Spendengelder zu veruntreuen. Denn weder in Deutschland noch in Frankreich existieren wirkungsvolle Kontrollorgane, die sich um den Spendenfluss international operierender Hilfsorganisationen kümmern. Doch woran erkennen Spender, dass eine Organisation unseriös arbeitet und wem kann man noch guten Gewissens spenden? Das arte-Thema wirft einen kritischen Blick hinter die Kulissen der Spendenindustrie.
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